Still, klirrend kalt, urgewaltig

Lesen Sie hier in Auszügen von unserem Antarktiserlebnis an Bord der Bark Europa.

Mit dem Großsegler ins ewige Eis

Wundersame Eisformationen, glasklares Wasser, märchenhafte Lichtspiele, majestätische Bergketten, so weiß wie Puderzucker: Die einzigartige Schönheit der Antarktis zieht einen unwiderstehlich in ihren Bann. Größer als Europa und doch so fremd wie kein anderes Gebiet der Erde - still, klirrend kalt, urgewaltig. Das Reich des Frosts ist eine tief gefrorene Märchenlandschaft, ein weiß-blaues Paradies, so überirdisch schön, dass man sich nicht daran satt sehen kann.

Im antarktischen Winter liegen die Temperaturen bei -50° bis -60 ° Celsius. Dichtes Packeis umschließt den Kontinent. Doch im Dezember wird das Eis für kurze Zeit durchlässig, es ist Sommer. Zeit, den Kontinent zu “erfahren”. Wer sich dann für die holländische Dreimastbark „Europa“ entscheidet, erlebt ein Abenteuer der Extraklasse.

Der Törn startet in Ushuaia auf Feuerland an der Südspitze Argentiniens. Schön ist die Stadt nur von weitem. Kommt man näher, prägen hastig errichtete Häuser und Backpacker Hostels das Bild. Doch man spürt die besondere Atmosphäre der Stadt: Abenteuerlust und Pioniergeist liegen in der Luft.

06.12. 05 (1. Tag)

An Bord der „Europa“ fühlt man sich von Anfang an wohl, denn sie bietet nicht nur von außen viel fürs Auge. Die Innenräume sind stilsicher mit Mahagoni und grünen Lederbänken ausgestattet. Die 2-, 4- und 6-Bett-Gästekabinen verfügen über ein Duschbad, es gibt ein gemütliches Deckshaus und eine wunderschöne Bibliothek.

Crewmitglied Kali aus Neuseeland begrüßt sogleich die Neuankömmlinge und weist sie in Fragen der Sicherheit an Bord ein. Die Crew, das sind neben dem charismatischen Kapitän Klaas Gaastra fünfzehn junge, schon gestandene Seemänner und -frauen aus aller Herren Länder. Als Gäste haben 27 Männer und Frauen aus acht Nationen – von Belgien bis zu den Bahamas - angeheuert. Bordsprache ist Englisch, jedoch kann man sich ohne Weiteres deutsch, spanisch, französisch und natürlich holländisch verständigen. Gegen 22.30 h verlässt die „Europa“ den Hafen. Zunächst geht es rund 60 Seemeilen durch den Beaglekanal.

07.12.05 (2. Tag)

Schon am nächsten Morgen fährt die "Europa" durch die Drakepassage, in der es so gut wie immer stürmt. Der Grund: Hier saust ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen um den antarktischen Kontinent und bringt Wind und Wellen zum Toben. Die „Europa“ wird mit gemäßigten 5 Windstärken begrüßt, die Rahsegel sind gesetzt. Schöner kann das Abenteuer nicht starten.

Kapitän Klaas informiert über die Planung. Zunächst geht es 500 Seemeilen durch die Drakepassage mit Kurs auf die Südshetland-Inseln. Wenn Wind und Wetter es zulassen, läuft die „Europa“ in spätestens fünf Tagen den ersten Stopp an, die Aitcho Islands. Dort beginnen die Zodiac-Expeditionen an Land. Nachts ankert die „Europa“ in geschützten Buchten. Am Tag fährt sie, solange wie möglich, unter Segeln.

Die Drakepassage ist der „Eintrittspreis“ für die Antarktis, denn hier wird fast jeder seekrank. Bei 7 Windstärken ist es soweit. Immer weniger Gäste erscheinen zu den Mahlzeiten, der größte Teil leidet still vor sich hin und hofft auf ein baldiges Ende der Schaukelpartie. Doch Kapitän Klaas lächelt vielsagend und lässt Spanntaue und „Leichenfänger“ (Netze, die ein Über-Bord-Gehen verhindern sollen) festmachen.

Jeder Gast ist als Trainee zur Wache eingeteilt und kann (muss aber nicht) an den täglichen Bordroutinen teilnehmen. Doch wer mitmacht, wird Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft. Der Tag ist rund um die Uhr in sieben Wachen eingeteilt. Jeder ist nicht nur einmal mit der „dog watch“ (Hundewache) von 0.00 Uhr bis 04.00 Uhr dran. Für Trainees gilt dies jedoch nur in der Drakepassage, nicht während der Land-Exkursionen.

Hundemüde geht’s auch gleich zur ersten dog watch. Doch die Müdigkeit verfliegt im Nu. Denn als erstes ist Ruderwache angesagt. Was für ein Gefühl, einmal einen Großsegler zu steuern! Und dann noch durch die Drakepassage. Steuermann Hank bleibt für alle Fälle in der Nähe. Anschließend heißt es Segel trimmen und Taue aufschießen. Die Zeit vergeht im Flug. Zwischenzeitliches Aufwärmen und heiße Suppe machen die dog watch richtig gemütlich. Um 02.00 Uhr fällt Schnee. Crew und Trainees liefern sich spontan eine Schneeballschlacht, ein seltsames Vergnügen auf einem Großsegler im Sommer, der eigentlich Winter ist.

08.12.05 (3. Tag)

Bei 7 bis 8 Windstärken fliegt die „Europa“ mit mehr als 8 Knoten über den Ozean, begleitet von Albatrossen und Sturmvögeln. Bald bläst jedem ein unbekannter, eisiger Atem ins Gesicht. Die antarktische Konvergenz, die „geologische Grenze“ zur Antarktis, ist erreicht. Hierbei handelt es sich um eine 50 bis 100 km breite Zone, in der sich kaltes antarktisches Wasser unter wärmeres subantarktisches Wasser mischt, erklärt Guide Dan. Diese Zone beginnt etwa zwischen dem 56. Und 58. Breitengrad und umgibt die Antarktis wie ein Gürtel.

09.12.05 (4. Tag)

Endlich! Die ersten Wale. Mit rund 25 m Länge und bis zu 70 Tonnen Gewicht gleiten fünf gewaltige Finnwale majestätisch durch den Ozean. Alle sind fasziniert und berührt von der Schönheit, Kraft und Anmut dieser Tiere.

Die „Europa“ gehört zur IAATO (International Association of Antarctica Tour Operators), einer weltweiten Vereinigung von Veranstaltern für Antarktisreisen. Aufgabe der IAATO ist es, Unberührtheit der Antarktis zu schützen, denn sie spielt eine Hauptrolle im globalen Wetterdrama. Hier entscheidet sich, ob eisige Winde oder heiße Wüstenstürme über den Planeten fegen. Jeder verpflichtet sich vor dem Betreten der Antarktis mit seiner Unterschrift, die scharfen Naturschutz-Bestimmungen zu befolgen und die Regeln dafür einzuhalten.

10.12.05 (5. Tag)

Das ist der Moment, auf den alle gewartet haben: Erste Eisberge spiegeln sich in noch nie gesehenem Türkies im Wasser. Fremd, abweisend und unglaublich schön. Vor der „Europa“ liegen die Aitcho Islands. Im kurzen Sommer ist die Antarktis trotz ihrer Kälte voller Leben. Kolossale See-Elefanten, Riesensturmvögel mit bis zu 3 m Spannweite und unzählige Pinguinkolonien: Vorsichtig bewegen sich die Besucher unter professioneller Anleitung von Guide Dan vorwärts, denn die Tiere dürfen keinesfalls gestört oder gar gefüttert werden. Wie eine aufgeregte Kinderschar wackeln die Frackträger ohne Scheu laut schnatternd auf die Fremden zu. Alle schließen sie sofort ins Herz.

11.12.05 (6. Tag)

Heute heisst es „Set sails!“ mit Kurs auf Half Moon Island. Schnee glitzert von hohen Bergen in der Sonne. Schnell sind die Zodiacs mit neugierigen Passagieren besetzt und der Trip ins Paradies beginnt. Hier stößt man unentwegt auf Walfängerboote, alte Bratpfannen, Walskelette - stumme Zeugen vergangener Zeiten. Voller Spannung geht es danach zur ersten Forschungsstation. Die Mitarbeiter der argentinischen „Base Camara“ berichten ausführlich über Arbeit und Leben im ewigen Eis. Zum Abschied erhält jeder einen Stempel in seinen Reisepass mit den Positionsdaten – 62° 36´S/59° 56`W.

12.12.05 (7. Tag)

Nebel. Die „Europa“ nimmt unter Motor Kurs auf Hannah Point auf Livingston Island. Dan erklärt in einer eindrucksvollen Präsentation die geologischen Prozesse der Antarktis. Wie bestellt, liegen am Ende seines Vortrags erste haushohe, gigantische Eisberge vor der „Europa“. Kapitän Klaas steuert sie langsam um den größten Eisberg herum. Die Kameras klicken.

13.12.05 (8. Tag)

Deception Island ist eine der größten und beeindruckendsten Kraterinseln der Erde. Die „Europa“ fährt in das Innere dieses eingebrochenen, noch aktiven Vulkans mit einer riesigen Caldera voller Meerwasser. Der Kontrast könnte nicht seltsamer sein: hinter der „Europa“ antarktisches Weiß- Blau, vor ihr die verlassenen, rostigen Überreste einer Walfangstation, eingebettet in eine karge, schwarze und fremde Mondlandschaft. Schaurig schön!

14.12.05 (9. Tag)

Vorbei jagend an immer größer werdenden, bizarr geformten Eisbergen und träge auf Eisschollen in der Sonne dösenden Seeleoparden nimmt die „Europa“ bei 7 Windstärken Kurs auf Trinity Island. Kaum am Ziel, brechen Crew und Trainees auf zu einer Fahrt in eine unbekannte Welt, eine tief gefrorene Märchenlandschaft aus Eis, die schöner nicht sein kann. Wieder an Bord, erwartet alle ein heißer Glühwein mit Sandwiches, eine Wohltat nach dem eiskalten Nachmittag.

15.12.05 (10. Tag)

Nach dem Frühstück geht die Fahrt weiter und „The Arch“, ein riesiger Triumphbogen aus Eis, wird entdeckt. Was liegt näher als ein „Schnappschuss“ mit der „Europa“? Kapitän Klaas entsendet drei Fotografen mit allen Kameras per Zodiac. Derweil positioniert er die „Europa“ fotogen auf der anderen Seite des Bogens.

Glücklich über dieses einmalige Motiv und mit einiger Verspätung geht es bei strahlendem Sonnenschein durch die Gerlache Strait. Die Luft ist glasklar. Kein Dunst, kein Smog. Still genießen alle die phantastische Fernsicht und bewundern die Schönheit dieser abweisenden Region. Hier ist es kälter als in der Tiefkühltruhe, trockener als in der Wüste und sonniger als in Kalifornien. Immer größer werdende Eisbrocken schlagen an das Schiff, das nun unter Motor fährt.

Vor Enterprise Island liegt das Wrack der „GouvernØren“, die im Jahr 1916 durch eine Explosion sank. Es ist erstaunlich, wie gut sie bei diesen extremen klimatischen Bedingungen erhalten ist.

Welche Abenteuer uns auf der „Europa“ während unseres 1. 681 Seemeilen-Törns  noch erwarten, lesen Sie ab Oktober 2007 in unserem Antarktis-Buch.